Morning News vom 12.09.2019
Der EZB-Rat dürfte auf seiner heutigen Zinssitzung die bereits sehr offenen Geldschleusen noch weiter öffnen. Erwartet wird ein ganzes Bündel an Schritten zur Stützung der Konjunktur. "Supermario" will seine Regentschaft offenbar mit einem Feuerwerk beenden. Die globalen Finanzmärkte präsentieren sich schon mal in Risikolaune.
Allgemeines:
Die heutige EZB-Sitzung, wohlgemerkt und vielfach strapaziert, die letzte unter dem Vorsitz des amtierenden EZB-Direktors wird gleichwohl richtungsweisend wie geschichtsträchtig sein. Ersteres ist relativ diffizil: Vereinfacht gesagt hat die EZB drei Möglichkeiten die strauchelende Wirtschaft mit Stimuli zu versorgen und es scheint kein Zweifel daran zu bestehen, dass Stimulanzien folgen werden, die Frage ist nur in welchem Ausmaß, aber dazu später. Letzteres ergibt sich ganz einfach aus dem Umstand, dass Mario Draghi als der erste EZB-Präsident in die Geschichte eingehen wird, der in seiner Amtszeit nicht ein einziges Mal die Zinsen angehoben hat. Damit erwies sich die Finanzkrise mit all ihren Folgen und der nicht so richtig in Gang kommenden europäischen Wirtschaft als ultimativer Endgegner für "Supermario", trotz aller "whatever it takes – Bazookas". Die Finanzwelt harrt also gemeinschaftlich der Dinge, die uns ab Mittag aus Frankfurt erwarten…nicht auszudenken, wenn die zum Teil bereits großzügig eingepreisten Erwartungen enttäuscht werden…
Aktien/Commodities:
Die Risikofreude an den globalen Finanzmärkten hielt sich auch gestern weitgehend und verhalf dem DAX, SMI und S&P 500 zum Sprung über "magische" Hürden. So schloss der deutsche Aktienindex über 12.300 Punkte, der marktbreite S&P 500 schloss knapp über 3.000 Punkte und der Schweizer SMI schaffte es nachhaltig über die 10.000 Punkte-Marke. Nach dem Motto "what comes down will go up" standen mehrheitlich zyklische Aktien und Finanzwerte auf den Kauflisten, während sich für Versorger oder auch Immobilientitel weniger Kauflaune ausmachen ließ. Die soeben veröffentlichten Inflationszahlen für Deutschland fielen innerhalb der Erwartungen (leichter monatlicher Rückgang, aber stabile 1,4 % auf Jahressicht) aus und die um 11.00 Uhr anstehenden Daten zur europäischen Industrieproduktion (hier wird ein weiterer Rückgang erwartet) dürften wohl als letzter minimaler Input für die um 13.45 Uhr anstehende Zinsentscheidung samt folgender Pressekonferenz dienen. Sei es drum: die Aktienmärkte feiern die bevorstehenden Stimuli der EZB ebenso wie die versöhnlichen Töne zwischen Washington und Peking mit Zugewinnen in Asien und weiteren Aufschlägen in der amerikanischen und europäischen Frühbörse. Dementsprechend verlieren die Safe-Havens an Attraktivität. Der Goldpreis liegt, wie schon seit Dienstag, unter der USD 1.500-Marke und auch bei Bitcoin (einem vermeintlichen "New Safe-Haven") liegen die Notierungen unter den zuletzt erreichten Jahreshöchstständen. Beim Rohöl übertünchen die nun doch nicht gelockerten USA-Iran-Sanktionen die stärker als erwartet zurückgegangenen US-Lagerbestände und so legen die Notierungen der Sorten Brent und WTI gut 1 % zu.
FX/Zinsen:
Im letzten Level von Mario Draghis EZB-Präsidentschaft stellt sich also heute die Frage, mit wie viel Stimuli die Granden in Frankfurt der europäischen Wirtschaft unter die Arme greifen wollen. Als sicher gilt die Senkung des Einlagensatzes um 10 Basispunkte auf -0,50 %. Begleitet wird dies wohl mit dem sogenannten "Tiering", also einem Freibetrag bis zu dem die Einlagen der Banken mit dem Hauptrefinanzierungssatz (0,00 %) verzinst werden. Beim Durchlesen der Studien wie sich dies auswirken wird und wie die nichtausgenützten Fazilitäten im Interbankmarkt dann doch wieder aufgefüllt werden könnten, raucht mir so früh am Morgen der Kopf. Bei der zweiten Maßnahme, der Wiederaufnahme des Anleihekaufprogrammes wird es schon spannender, vor allem, wenn sie mit der dritten Kernmaßnahme, der Anpassung des Kapitalschlüssels für die Käufe und den selbstauferlegten Emittenten-Grenzen kombiniert wird. Letztere könnten von aktuell 33 % auf 40 % oder gar 50 % angehoben werden. Damit wäre es möglich, dass die EZB bis zur Hälfte der ausstehenden Schuldverschreibungen eines Emittenten / Landes erwirbt. Die Währungsmärkte zeigen sich heute Früh in abwartender Stellung und beginnen den Tag größtenteils unverändert ebenso wie die Zinsen für langfristige Staatsanleihen, die nach dem Ausverkauf der letzten Tage eine Verschnaufpause einlegen.